4. Nachklang
23. Juni 2011
Am Tag nach dem Konzert ist der katholische Feiertag Fronleichnam. Das bedeutet in diesem Teil Hessens, dass nichts fährt, also auch kein Bus nach Fulda, um den Zug nach Hause zu bekommen.
So muss ich bei den Erwachsenen des Chores nachfragen, ob sie mich noch ein Stück mitnehmen könnten. Sie sind sofort dazu bereit.
Am nächsten Morgen bin ich also am Treffpunkt an der Musikakademie, wohin die Gastgebereltern die Jungen bringen. Ein Schar Fliegen stürzt sich auf mich und mein gelbes Hemd, welches sie wohl anzieht. Sofort sind einige Jungen da, um mich von ihnen zu befreien. Das dauert eine Weile, denn die Fliegen kommen immer wieder.
Innerlich bin ich in einer seltsamen Stimmung. Ich habe mich so an die Jungen gewöhnt in der kurzen Zeit, und sie sich auch an mich. Einige laufen an mir vorbei und begrüßen mich fröhlich. Tut gut.
An dieser Stelle möchte ich mal ganz schnell die Gelegenheit benutzen, um die begleitenden Erwachsenen vorzustellen. Den Chorleiter Francis Stockwell habe ich ja schon mehrmals erwähnt. Er ist der künstlerische Leiter des Chores und hat die besten Deutschkenntnisse.
Ihn begleitet der Gründer des Chores, Craig Carmody-Anderson. Ein netter, älterer Herr, der den Chor selbst jahrelang geleitet hat. Auch er hat, wie Francis Stockwell, eine Zeitlang im deutschsprachigen Raum, in Österreich, studiert.
Dann sind da noch Kenny und Adam, die Chorpräfekten, Anfang 20, die dem Chorleiter viel organisatorische Arbeit abnehmen. Besonders mit Kenny sprach ich öfters.
Sehr positiv zu vermerken ist die ruhige, unaufgeregte Disziplin der Jungen, die auf gründlichen Erklärungen und Einsicht(unter anderem) beruht und nicht etwa auf Befehls- und Gehorsamsstrukturen. So hat man eine Chorgruppe, die freundlich und nett miteinander und nach außen agiert.
Zurück zur Abfahrt in Schlitz:
Die Jungen singen ein Abschiedslied für ihre Gastgeber, dann geht es los. Während der Fahrt bekommen die Jungen insgesamt ein großes Lob vom Gründer für den guten Eindruck, den sie hinterlassen haben. "Ihr seht, es gibt überall gute Menschen auf der Welt. Und wenn ihr jetzt fragt, warum es dann Kriege gibt, dann solltet ihr wissen, die werden von Regierungen gemacht, nicht von den Menschen!" Für diese Altersstufe eine gute, einfache Erklärung, wie ich finde.
Danach beginnt Francis Stockwell einen kleinen Französischkurs mit einfachen Grußformeln, Bitte, Danke, usw. für ihren Kurzaufenthalt in Sarreguemines in Lothringen am Abend und nächsten Tag.
Tja, und dann kommen wir irgendwo in Fulda an. Es heißt Abschiednehmen. Ich bedanke mich kurz bei den Jungen und den Leitern, die Jungen strahlen mich an, mir sitzt ein Kloß im Hals...
Es fällt mir schwer, sie zu verlassen. Verdammt schwer!
Raus aus dem Bus. Die Jungen winken. Dann ist der Bus verschwunden. Ich erkundige mich nach dem Weg zum Bahnhof. Ungefähr eine Dreiviertelstunde laufe ich durch Felder und Gewerbegebiete, obwohl ich auch einen Bus hätte nehmen können. Aber ich brauche diese Zeit....
Erst dann warte ich an einer Bushaltestelle. Bus zum Bahnhof. Fahrt nach Hause.
Ja, es gibt überall auf der Welt gute Menschen! Ein paar davon habe ich gerade davonfahren sehen.
Ich hoffe Euch haben die Berichte gefallen. Wenn Ihr irgendwie könnt, geht zu den letzten Konzerten (Tourplan in der Zuschrift Nr. 56 vom 13. MAi 2011).
Ender
Europa ist unser aller Zukunft. Wir haben keine andere.
Hans-Dietrich Genscher